Netzwerke gelten als wichtig, um im Beruf voranzukommen. Ob Aufträge oder eine Beförderung – je breiter ein Netzwerk, desto größer die Chance auf beruflichen Erfolg und Karrierezufriedenheit. Trotzdem war Netzwerken lange Zeit eine stark männlich geprägte Aktivität, doch seit Mitte der 1990er Jahre wächst die Anzahl der reinen Frauennetzwerke deutlich an.
Wie sinnvoll sind Frauennetzwerke, wenn hauptsächlich Männer an den Hebeln sitzen?
Forschende der TU Braunschweig fanden heraus, dass es sich positiv auf den beruflichen Erfolg auswirkt, wenn männliche Kontakte innerhalb eines Netzwerks vorhanden sind. Bei Frauen stellten die Forscher:innen hingegen eine negative Korrelation fest. Für reine Frauennetzwerke ist dies ernüchternd. Der Grund dafür ist allerdings wenig überraschend: Männer sitzen nach wie vor in einflussreichen Positionen, demnach haben sie auch mehr Möglichkeiten, andere zu fördern. Frauen sind in höheren Führungspositionen weniger vertreten – der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder in Österreichs börsennotierten Unternehmen lag zuletzt bei neun Prozent – daher können sie anderen entsprechend seltener helfen. Solange dies so ist, ist es für die persönliche Karriere also kontraproduktiv, sich ausschließlich in Frauennetzwerke aufzuhalten. Vielmehr solle auch auf ein gemischtes Netzwerk gesetzt werden, raten Expert:innen.
Frauennetzwerke bieten Safe Space
Der Vorteil von Frauennetzwerken liegt jedoch woanders. Melanie Schütze, die Gründerin des Business Netzwerks nushu, erklärt im Gespräch mit WEconomy: „Ein Frauennetzwerk ist ein geschützter Raum, in dem wir uns den Fragestellungen und den Unique Challenges widmen können, die Frauen in der Arbeitswelt betreffen.“ Olivia Wahrbichler, Director of Communication bei nushu, fügt hinzu: „Die Geschichte hat gezeigt, dass sich erstmal Gruppen formieren müssen, um gesellschaftliche Missstände zu lösen. Das Frauennetzwerk ist für mich deshalb so etwas wie ein first step of empowerment. Wenn wir Gleichstellung und Diversität in der Wirtschaft erreichen wollen, muss zunächst jene Gruppe, die uns am nächsten steht, sehen, dass das ein wichtiges Thema ist.“
Marita Haas, verantwortlich für den Bereich People, Culture & Organization Advisory bei Ward Howell International, steht dem Nutzen von Frauennetzwerk, um Diversität in der Wirtschaft voranzutreiben, skeptisch gegenüber: „Frauennetzwerke setzen am falschen Punkt an, um Diversität zu erzeugen. Sie sind ja per se nicht divers, sondern nur einem – nämlich dem weiblichen – Geschlecht vorbehalten.“ Ganz generell sieht die Unternehmensberaterin Frauennetzwerke als problematisch an, da „sie eine Art Parallelwelt schaffen, in der sich eine vermeintlich homogene Gruppe trifft und damit keine strukturelle Veränderung in Organisationen, Gremien oder eben der gesamten Arbeitswelt erzielt wird.“
Fördern Frauennetzwerke die Diversität in der Wirtschaft?
Melanie Schütze weiß jedoch, dass Frauennetzwerke sehr wohl einen Beitrag zur strukturellen Veränderung erwirken können, wenn sie als Teil der Gesamtstrategie vom Top-Management mitgetragen werden: „Mit einem einmaligen Ladies-Lunch wird keine Gender-Diversität in einem Unternehmen gepusht.“ Vielmehr müssen solche Netzwerke mit finanziellen Ressourcen ausgestattet und Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Beteilung fördern: „Die Zeit, die Mitarbeiterinnen dafür aufwenden, sich im Netzwerk zu engagieren, sollte auf die Arbeitszeit angerechnet werden.“ Olivia Wahrbichler mahnt zudem davor, die Mitglieder von Frauennetzwerken als homogene Masse anzusehen. Innerhalb dieser Netzwerke gibt es schließlich Frauen mit verschiedenem Alter, verschiedener Hautfarbe, Herkunft, Religion, Weltanschauung, sexueller Orientierung und verschiedenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten.
Während sich Marita Haas gegen Frauennetzwerke ausspricht, stimmt sie überein, dass es „das klare Commitment der Entscheidungsträger:innen, in allen Entscheidungen und Gremien auf dieses Ziel zu achten“ brauche, sowie „die Bereitschaft, sich auch mit innerorganisationalen Prozessen auseinanderzusetzen“, um mehr Diversität in der Wirtschaft zu erzeugen. Für unternehmensinterne Frauennetzwerke bedeutet dies also, dass sie erfolgreich sein und einen Beitrag zum allgemeinen Diversitäts-Ziel leisten können, wenn sie von den Personen in leitenden Positionen ernst genommen und in eine mittel- bzw. langfristige Diversity-Strategie eingebettet werden. Wird ein Frauennetzwerk nach seiner Errichtung allein gelassen, würde dies hingegen das Gegenteil bewirken. Damit würde signalisiert werden, „dass Frauen für das Aushebeln eines Missstands, der gesellschaftlich und strukturell tief verwurzelt ist, die Verantwortung tragen müssten“, so Melanie Schütze.
Nushu ist ein Business-Netzwerk für Frauen, das 2018 von Melanie Schütze in Hamburg gegründet wurde. Nushu versteht sich als Teil einer inklusiven, globalen Bewegung, die unter anderem auf die Herstellung realer Chancengerechtigkeit und auf die Parität von Frauen in der Wirtschaft abzielt. Im Rahmen des HR Summits, der am 12. Und 13. Oktober in der Wiener Hofburg stattfindet hielt Olivia Wahrbichler gemeinsam mit Eva-Maria Schmeil eine Session über „Netzwerke als Treiber für Kulturwandel“ ab.
Marita Haas leitet seit Anfang Oktober als Senior Managerin bei Ward Howell International den Bereich People, Culture & Organization Adisory. Die Gender- und Diversitätsexpertin kommt aus der Wissenschaft und begleitete während der letzten Jahre österreichische Unternehmen bei der Weiterentwicklung in faire und inklusive Organisationen. Haas positioniert sich gegen herkömmliche Gender- und Diversitätsprogramme und setzt sich für die Veränderung von Strukturen und Prozessen ein.
Foto: Andrea Piacquadio / Pexels