„Der Weg zur Vielfalt ist ein Bohren dicker Bretter“

Die Österreichischen Bundesbahnen möchten als buntes Unternehmen die besten Köpfe versammeln und für ihre Kunden beste Mobilität ohne Barrieren ermöglichen. Um dies voranzutreiben arbeiten Diversity Beauftragte Traude Kogoj und ihr Kollege David Gansrigler an einer offenen Gesprächskultur und „Safe Spaces“. Wir treffen uns für das Interview in der Zentrale am Wiener Hauptbahnhof.

Welchen Stellenwert hat Diversität im Unternehmen und wie setzen Sie dies in Ihrer Arbeit um?

Traude Kogoj: „Diversity- und Gleichstellungs-Management hat tatsächlich einen sehr, sehr hohen Stellenwert in unserem Konzern. Wir haben den Anspruch, eine offene Arbeitskultur zu etablieren, mit gleichen Chancen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

David Gansrigler:Auch die externe Barrierefreiheit spielt für uns eine große Rolle. Wir versuchen natürlich, mehr Reisende für Bahnfahrten zu gewinnen und schauen, dass wir unsere Bahnhöfe und unsere Züge entsprechend barrierefrei gestalten. In diesem Zusammenhang arbeiten wir sehr intensiv mit Vereinen und mit Menschen mit Behinderung zusammen und profitieren enorm von dieser Beratung. Wir sind tatsächlich die erfolgreichste Bahn in Bezug auf Barrierefreiheit in der Europäischen Union und darauf sind wir natürlich sehr stolz. In den vergangenen 15 Jahren konnten wir die Anzahl von Reisenden mit Behinderungen mehr als verzehnfachen.“

Die ÖBB möchte sich als Konzern bunt und divers präsentieren. Welche Ziele hat man sich diesbezüglich innerhalb des Konzerns gesteckt?

Traude Kogoj: „Die ÖBB sind so bunt wie das Leben und ich kann dies vielleicht anhand der Zusammensetzung unserer Belegschaft verdeutlichen: Mehr als 80 unterschiedliche Nationen sind in unserem Konzern repräsentiert. Wie andere Unternehmen auch, arbeiten wir daran unseren Frauenanteil zu erhöhen. Im Vorstand können wir eine Quote von 28 Prozent vorweisen – da gibt es kaum ein anderes ATX-Unternehmen in Österreich, das dies geschafft hat. Wir haben natürlich auch Kolleginnen und Kollegen mit Behinderungen, wir haben Kolleginnen oder Kollegen mit einer anderen sexuellen Orientierung als der heterosexuellen. Diese Buntheit ist nicht nur ein Abbild der realen Gesellschaft, sondern auch ein unfassbares Potenzial für den Gesamtkonzern, nicht zuletzt in der Marktbearbeitung.“
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Wäre das Ziel einen Frauenanteil von 50 Prozent zu erreichen realistisch?

Traude Kogoj: „Wir haben seit 2013 die sogenannte Diversity Charta, in der unsere Gender-Ziele festgelegt sind. Unser Ausgangspunkt war ja ein sehr niedriger Frauenanteil. Die ÖBB, wie die Branche insgesamt, ist traditionell ein eher männlich dominiertes Unternehmen. Daher freuen wir uns natürlich sehr, dass bereits ein Drittel unserer Bewerbungen von Frauen kommen, also doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. Wir wollen diesen Anteil noch deutlich erhöhen. Es ist ein Bohren dicker Bretter und wir sind auf einem guten Weg.“

Die Suche nach den besten Arbeitskräften ist derzeit ambitionierter als je zuvor. Glauben Sie, dass Unternehmen, die sich divers aufstellen und dieses Image authentisch vermitteln, als attraktivere Arbeitsplätze gelten?

David Gansrigler: „Definitiv. Ich kann da auch ein konkretes Beispiel liefern. Über den Austausch unseres Regenbogen-Netzwerkes konnten wir eine IT-Fachkraft für uns gewinnen, weil wir im Diversity-Management entsprechende Initiativen forcieren. Das war wirklich der entscheidende Punkt für diese Person bei den ÖBB anzufangen. Genau mit dieser Exrta-Meile konnten wir Bewerber:innen, die schon trotz anderer Angebote Job-Angebote hatten, von den ÖBB überzeugen.“

Gab es für Sie bei Ihrer Arbeit im Diversity-Management ein Aha-Erlebnis, das Ihnen neue Sichtweisen aufgezeigt hat?

David Gansrigler: (Lacht.) „Ich glaube, ich habe für ein Aha-Erlebnis gesorgt, als ich ab 2016 als einziger Mann mit meinen Kolleginnen das Frauennetzwerk der ÖBB mitkoordinieren durfte. Aber davon abgesehen konnte ich zum Beispiel ein besseres Verständnis für Menschen mit Behinderungen gewinnen. Mir wurde klar, dass ein Coming Out nicht nur hinsichtlich der sexuellen Orientierung, sondern auch bei psychischen oder körperlichen Behinderungen das Überschreiten einer Hemmschwelle bedeuten kann. Aber wir arbeiten sehr daran, dass durch entsprechende Dialoge die Kolleginnen und Kollegen gefördert und auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird.“

Traude Kogoj: Da leisten wir gute Arbeit. Wir schaffen Kommunikationsräume, wo es darum geht, dass Themen aufs Tapet gebracht werden, diskutiert werden und Wissenstransfer stattfindet. Sei es in Hinblick auf sexuelle Orientierung, Behinderungen, Herkunft oder unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse.
Das soll so offen wie möglich geschehen ohne Tabus und mit viel gegenseitigem Respekt in einem geschützten Raum. Denn, um mit Ingeborg Bachmann zu sprechen: Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Dies schafft dann die Basis, um in eine gute Zusammenarbeit zu gehen.“

Wie würden Sie diese geschützten Räume, die „Safe Spaces“, beschreiben?

Traude Kogoj: „Das Leben ist halt immer ein bisschen anders, als man gemeinhin in Management-Büchern liest. Wenn ich arbeiten gehe, dann nehme ich natürlich das eine oder andere Thema aus dem Privatbereich mit. Wenn ich den Eindruck habe, ich habe in der Arbeit keine Möglichkeit, so zu sein, wie ich bin, unabhängig vom Geschlecht oder einem anderen Diversity-Merkmal, dann verlange ich wahnsinnig viel Energie von mir selbst ab, um mich an die Kultur der Mehrheit anzupassen und gleichzeitig einen perfekten Job zu machen. Welches persönliche Thema zum Thema gemacht wird, das bleibt selbstverständlich jedem Einzelnen und jeder Einzelnen überlassen. Wenn es etwas zu besprechen gibt, dann sind wir jedenfalls eine gute AdresseDie ÖBB sind ein buntes Unternehmen. Denn wir sind dort am besten, wo wir authentisch sein können. Unabhängig vom Geschlecht, von der sexuellen Orientierung oder vom ethnischen Hintergrund.

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