WEconomy: Ihr Unternehmen Niceshops mit Hauptsitz im steirischen Saaz wurde mehrfach als bester Arbeitgeber Österreichs ausgezeichnet. Was machen Sie anders?
Roland Fink: Arbeit ist ein großer und wesentlicher Teil unseres Lebens. Da ist es nur vernünftig, sie so zu gestalten, dass man gerne hingeht. Wenn ich in die Firma komme, möchte ich einen guten Kaffee und Frühstück. Und dann ein gutes Mittagessen. Das einzige, was ich anders gemacht habe, war zu sagen: Das sollen die andern auch haben.
WEconomy: Beim gratis Früstück und Mittagessen bleibt es ja nicht. Sie bieten Weiterbildungen an, Sprachkurse, Freibier immer freitags – kostet das nicht viel Geld?
Roland Fink: Nein. Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass es eigentlich nichts kostet. Weil wir als Unternehmen keine Fluktuation haben. Wir haben kein Problem damit, neue Kolleginnen und Kollegen zu finden. Wir haben in der Logistik Wartelisten, weil so viele Menschen bei uns arbeiten wollen. Und das auf einem Arbeitsmarkt, wo sich Unternehmen um Fachkräfte streiten. Man darf nicht unterschätzen, was solche Benefits mit MitarbeiterInnen machen.
WEconomy: Was denn?
Roland Fink: Wenn man Menschen die Chance gibt, sich regelmäßig und ungezwungen auszutauschen und zu unterhalten, hat das einen wahnsinnig positiven Effekt auf die Atmosphäre. Die Leute reden ja nicht nur über Privates, da geht ganz viel für die Arbeit weiter und die Zusammenarbeit macht mehr Spaß.
WEconomy: Wie sieht es bei Niceshops mit dem Thema Inklusion aus? Finden Menschen mit Behinderungen bei Ihnen Arbeit?
Roland Fink: Ja, unsere Logistik hat 160 KollegInnen, 18 davon haben zum Teil schwere Behinderungen. Und wir sind trotzdem eines der effizientesten Logistikzentren Europas.
WEconomy: Was würden Sie Unternehmen raten, die nicht wissen, wie sie mit dem Thema Behinderung am Arbeitsplatz umgehen sollen?
Roland Fink: Einfach ausprobieren. Durch diese Zusammenarbeit ergibt sich eine unglaubliche Sensibilisierung für das Thema. Der Zusammenhalt wird gestärkt, die Hilfsbereitschaft und Solidarität ebenso. Ich kann das allen nur ans Herz legen: Inklusion ist ein wichtiges Thema und schafft ein großartiges Arbeitsumfeld. Das ist keine Raketenwissenschaft. Und man arbeitet eben mit jenen Menschen gut zusammen, mit denen man auch gern zusammenarbeitet. Ist ja logisch.
WEconomy: Wie fällt das auf Sie als Arbeitgeber zurück?
Roland Fink: Man vermittelt dadurch, dass man sich um das Thema annimmt. Das hört ja nicht beim Thema Behinderung auf. Wir wollen auch Transparenz beim Gender Pay Gap. Das muss man herzeigen und sich ansehen, wie unsere Gesellschaft in Österreich mit dem Thema Frauen am Arbeitsplatz umgeht. Im Norden ist es ganz normal, dass man am Nachmittag das Kind vom Kindergarten abholt und in der Arbeit dann eben nicht präsent ist. Da wirst du in Österreich immer noch schief angeschaut.
WEconomy: Niceshops wächst zwischen 40 und 70% jedes Jahr. Im Jahr 2020 haben Sie 100 Leute eingestellt, 2021 um die 200. Wie managet man so ein Wachstum?
Roland Fink: Wir organisieren die Arbeit, nicht die Menschen. Wir wissen, welche Rollen es im Unternehmen braucht und diese werden verteilt. Fällt jemand weg, was selten passiert, wissen wir, welche Rollen wir besetzen müssen.
WEconomy: Wie unterscheidet sich das von jeder anderen Organisation?
Roland Fink: Bei uns füllt eine Person oft mehrere Rollen aus. Der Produktionsleiter ist dann vielleicht auch für die Senkung des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Es ist ja oft so, dass Menschen in Unternehmen mehrere und andere Rollen ausfüllen, als in ihrer Stellenbeschreibung stehen. Wir wissen einfach sehr genau, welche Rollen wir brauchen, und können die Organisation dadurch gut steuern.
WEconomy: Sie haben die CO2-Bilanz angesprochen. Was passiert zu dem Thema in Ihrer Organisation?
Roland Fink: Wir sind seit 2018 klimaneutral. Das geht bisher nur über Kompensationen. Wir fördern Hummusaufbauprojekte in der Region oder Wasserqualitätsprojekte in Bangladesh. Aber das reicht nicht, das ist viel zu wenig für das globale Problem, das wir haben.
WEconomy: Was kann man als ersten Schritt Richtung einer Net-Zero-Strategie machen?
Roland Fink: Man muss ganz genau erheben, welchen CO2-Fußabdruck man produziert. Dann weiß man, wo der Hebel ist und wo man hinschauen muss. Und dann braucht man konkrete Zielzahlen zu den Themen Energieautarkie, Photovoltaikanlagen, Heizung über Biomasse, gute Dämmung, E-Mobilität, Förderung von Fahrgemeinschaften, vegetarisches Essen zu Mittag, Vermeidung von Plastik in unseren Verpackungen.
WEconomy: Wer gibt diese Themen vor? Sind das alles Top-Down-Maßnahmen?
Roland Fink: Nein, das ist eine Mischung aus Top-Down und Bottom-Up. Manchmal geben wir ein Thema vor und sagen: Wir wollen unsere Bilanz beim Individualverkehr verbessern. Will sich um das jemand annehmen? Oder es kommt jemand und sagt: Wir haben ein Thema mit Inklusion und dann bearbeiten wir das. Bei über 500 Mitarbeitenden findet sich immer jemand, der für ein Thema brennt und das vorantreibt. Wir unterstützen dabei.
WEconomy: Funktioniert diese Art der selbstständigen Arbeitsweise?
Roland Fink: Ja, sehr gut sogar. Wir sind ein junges Unternehmen mit einem Altersdurchschnitt von unter 35 Jahren. Unseren Leuten sind all diese Themen sehr wichtig, sie erwarten, dass wir als Unternehmen etwas für Inklusion und Nachhaltigkeit tun. Wir geben viel Freiheiten, aber man muss auch anpacken können, sich die Arbeit beschaffen und dranbleiben. Für die meisten funktioniert das sehr gut.
Foto: Niceshops